Wohnraumlüftung aufgrund der Covid-19 Auswirkungen vorerst gedrosselt

Der Markt für Wohnraumlüftung in Europa stieg im letzten Jahr (2019) um +2,4% nach Wert, nachdem 2018 das Wachstum bei +2,1% lag und 2017 aufgrund der starken Baukonjunktur, noch ein Plus von 7,1% erzielt wurde. Ein Rückgang bei Baufertigstellungen und eine Marktsättigung vor allem bei zentralen Systemen mit Wärmerückgewinnung sind für die schwachen Wachstumsraten der beiden letzten 2 Jahre verantwortlich. Für 2020 wird Covid-19 bedingt mit einem starken Minuswachstum von -8,1% nach Wert  ausgegangen, wobei die untersuchten Länder unterschiedlich stark durch die Auswirkungen der Pandemie betroffen sind und für die meisten Länder erst 2022 oder 2023 wieder Erholung in Sicht ist, so die neue Studie von Interconnection Consulting.

Die derzeitigen Indikatoren sprechen dafür, dass der Markt für Wohnraumlüftung in den untersuchten Märkten (Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, UK, Italien, Polen, Benelux, Nordics) bis 2023 um 0,6% jährlich nach verkaufter Menge zulegen wird, wobei ein positives Wachstum in einigen Ländern erst 2023 wieder zu erwarten ist. Von den untersuchten Ländern konnte Österreich 2019 mit +6,4% das stärkste Wachstum nach Menge verzeichnen (bei gleichzeitigen Rückgang nach Wert von -3,0%), während sich Polen mit 5,0% Wachstum nach Menge (+6,5% nach Wert) insgesamt am solidesten entwickelte. Der Schweizer Markt schrumpfte um -0,8% nach Stück, verlor aber nach Wert sogar um -3,9%. Deutschland konnte insgesamt ein Wachstum von 3,6% nach Menge einfahren, wobei auch hier ein zweistelliges Wachstum der dezentralen Systeme mit WRG die Rückgänge aus den zentralen Systemen mit WRG kompensieren musste.

Gemessen nach Verkaufswert, unter Betrachtung aller untersuchten Länder, kommen lokale Einheiten m. WRG aktuell auf 10,2% während Zentrale Systeme m. WRG 42,4% ausmachen und der Rest (47,5%) auf Abluftsysteme ohne WRG entfällt. Nach Anzahl verkaufter Stück, sind Abluftsysteme ohne WRG, als auch dezentrale Systeme (mit Wärmerückgewinnung) aufgrund des geringeren Durchschnittspreises deutlich stärker repräsentiert.

Zentrale Anlagen mit Marktsättigung

Bei einer ganzen Reihe der untersuchten Länder, war das Wachstum bei Zentralen Einheiten (mit Wärmerückgewinnung) negativ, wobei auch hier in einigen Ländern differenziert werden muss. Zum Teil waren vom Rückgang vor allem Systeme mit geringerer Leistung betroffen, während leistungsstärkere Systeme, die aber mengenmäßig in deutlich (!) geringeren Stückzahlen verkauft werden und neben dem Wohnbau auch immer mehr in Bereichen wie Schulen, Kindergärten, Meeting Räumen, eingesetzt werden können, sogar Zuwächse verzeichnen konnten. Laut Brancheninsidern fokussieren sich Hersteller auch gerne auf diesen Bereich, da hier zum Teil noch etwas höhere Margen erzielt werden können. So sind die Herstellkosten bei größeren Systemen nur marginal höher im Verhältnis zu den deutlich höheren Preisen, die mit leistungsstärkeren Einheiten erzielt werden können.

Ein weiterer Einfluss auf die verwendeten Systeme ergibt sich außerdem durch einen immer höheren Anteil an Wohnungen (Mehrgeschossiger Wohnbau), während der Anteil der Ein- und Zweifamilienhäuser Jahr für Jahr in so gut wie fast allen Ländern zurückgeht. In Österreich etwa klagt die Branche, dass es zunehmend schwieriger wird die Investitionskosten (die mit der Installation einer Zentralen Einheit m. WRG einhergeht), auch zu argumentieren. Hier wird immer mehr auf günstigere Alternativen wie dezentrale Systeme oder Abluftsysteme ohne WRG zurückgegriffen. Notwendige Förderungen, die diesen Trend kompensieren könnten fehlen zudem. Im geförderten, sozialen Wohnbau ist außerdem häufig das Argument möglichst günstigen Wohnraum zu schaffen im Vordergrund.

Ein kleiner Lichtblick im Ländervergleich bleibt Polen, wo 2019 auch Zentrale Systeme deutliche Zuwächse verzeichnen konnten.

Ein spezieller Fall ist noch Italien. Zwar waren die Preise dort schon seit Jahren unter Druck (mit hohen einstelligen Preisrückgängen und gerade im südlichen Raum von Italien für viele Hersteller ruinösen Durchschnittspreisen), jedoch ist auch 2019 der Markt für Zentrale Systeme um wiederum -7,8% gefallen bei einem kleinen mengenmäßigen Plus von 1,8%. Großbritannien ist ein weiterer Markt, der aufgrund der niedrigen Produktpreise und hohen Marktkonzentration von so manchen Herstellern auch gemieden wird.

Preisunterschiede ergeben sich aber auch durch die länderspezifisch unterschiedlich vorherrschende Distribution. Während man in Österreich und der Schweiz überwiegend auf zweistufigen direkten Vertrieb über Installationsunternehmen setzt, ist in den meisten anderen Regionen der indirekte 3-stufige Vertrieb eher die Regel. Daher sind die Durchschnittspreise (gemessen als Sell-In Preise auf Herstellerebene) in den zwei genannten Ländern auch höher als in anderen Märkten, wobei sich die deutlich höheren Preise in der Schweiz nicht zur Gänze dadurch erklären lassen.

Dezentrale Systeme boomen in „etablierten“ Ländern

Dezentrale Systeme mit Wärmerückgewinnung konnten in so gut wie allen Ländern deutliche Zuwächse erzielen, vorausgesetzt es gibt überhaupt einen Markt im jeweiligen Land. In der Schweiz oder in Frankreich z.B. sind solche Systeme nämlich kaum zu finden, aber auch in Nordeuropa und Benelux ist der Markt für diese Produkte im Verhältnis recht klein. In Italien konnten 2019 dezentrale Systeme m. WRG um +25,8% zulegen, in Deutschland immerhin noch um +13,2%, womit Deutschland auf rund 225 Tausend dezentrale Einheiten kommt. Dezentrale Einheiten, die wiederum in Transverse Systeme und Einzelraumlüfter unterschieden wurden konnten kumuliert auf alle untersuchten Länder Wachstum verzeichnen. In Deutschland sind es aber vor allem Transverse Systeme, die den Großteil des Wachstums dezentraler Systeme beisteuern. In diesem Bereich gibt es aber auch einen starken Preiskampf, wobei der Durchschnittspreis erst 2019 z.B. in Deutschland nach unten gegangen ist, da hier einige Hersteller mit sehr niedrigen Preisen, ein besonders hohes Wachstum aufweisen konnten. Da viele Hersteller von einigen wenigen OEMs ihre Produkte beziehen, ist eine Differenzierung vom Wettbewerb umso schwieriger.

Der Löwenanteil der dezentralen Systeme entfällt auf Wand- und Deckenmontage, nur ein sehr kleiner Teil entfällt auf Fensterlüftung. Fensterlüftung ist nur von einigen wenigen Unternehmen besetzt, gilt jedoch als Markt mit hohem Wachstumspotential. Auch wenn die Konkurrenz hier von der Anzahl der Unternehmen überschaubar ist, so liegt die Schwierigkeit in der Fertigung von großen Stückzahlen bei gleichzeitiger, individuell maß-gefertigter Produktion, weshalb sich einige Player bereits wieder aus diesem Feld zurückgezogen haben. Einen neuen Anlauf nimmt aktuell Schüco, die zuletzt ein neues Produkt in Kooperation mit Renson auf den Markt gebracht haben.

Abluftsysteme ohne WRG wachsen konstant

Auf alle untersuchten Länder bezogen, belief sich das Wachstum auf rund 2,65% nach Menge, wobei über 75% der Systeme auf dezentrale Abluftsysteme (Bad / WC-Lüfter) entfallen. Hier gibt es jedoch sehr große länderspezifische Unterschiede, so sind etwa zentrale Abluftsysteme ohne WRG in einigen Ländern fast gar nicht verbreitet. Ein besonders großer Anteil der Abluftsysteme entfällt auf Großbritannien, wo der Marktführer bereits einen sehr großen Teil davon abdeckt.

Corona und seine Folgen

Auch bereits vor Corona gab es bereits einige Anzeichen einer sich abkühlenden Wirtschaft, wie ein Rückgang von Wirtschaftswachstum und Baugenehmigungen gezeigt hat. Aufgrund der Pandemie hat sich die Situation aber noch einmal drastisch verschärft. Einige Effekte der Corona Krise, wie geschlossene Baustellen und Projekte, bei denen die Fertigstellung verschoben wurde, haben sich bereits unmittelbar 2020 ausgewirkt, andere Effekte werden erst in den kommenden 1-3 Jahre für die Branche spürbar, wenn die Zahl der Baufertigstellungen dramatisch sinken wird. Kurz vor dem Lock-down gab es als eine Art Vorzieheffekt sogar noch einen kurzen Nachfrageanstieg, da Hersteller versuchten sich noch ausreichend mit Komponenten einzudecken, doch dieser Effekt ist längst verpufft.

Während DACH oder die Niederlande verhältnismäßig gut durch die Pandemie gekommen sind, war der Lock-down in Ländern wie Italien, Spanien, Großbritannien oder Belgien deutlich problematischer. Eingeschränkte Distribution über Großhändler, Verzögerungen durch abgeriegelte Grenzen, fehlende Zuliefererprodukte und Logistikleistungen, oder nicht vorhandene Arbeitskräfte aus dem Osten, brachten viele Unternehmen bereits in den letzten 3 Monaten in die Bredouille. Ein „Shutdown“ bei Baustellen, oder Auflagen, die eine entsprechende (notwendige) Koordinierung der Gewerke vor Ort verhindern – samt einhergehender Qualitätsprobleme – werden auch noch für weitere Schwierigkeiten sorgen.

Was die Hersteller von Lüftungssystemen betrifft, so hatten vor allem Produzenten von maßgeschneiderten Lüftungslösungen erhebliche Probleme, wenn bereits gefertigte Produkte nicht mehr von Kunden angenommen wurden, da diese nicht anderweitig abgesetzt werden konnten.

Problematisch wird vor allem der sich abzeichnende Nachfragerückgang hinsichtlich neuer Bauprojekte und damit rückläufiger Baugenehmigungen, da die Finanzierung vieler Projekte erst mal „auf Eis liegt“. Zwar trifft es den Nichtwohnbau noch härter als den Wohnbau, jedoch kommt es auch hier zu einer negativen Abwärtsspirale. In Deutschland kommt es außerdem noch zu weiteren Verzögerungen der Genehmigungsverfahren, da in Zeiten des „Shutdowns“ viele Verfahren der ohnehin überlasteten Behörden unbearbeitet blieben und erst mal die alten Verfahren abgearbeitet werden müssen. Aktuell werden Milliarden in die Wirtschaft gepumpt und Staaten überbieten sich mit Konjunktur-, Unterstützungs- und Steuerstundungsprogrammen, jedoch wird der Staat längerfristig solche Programme nicht nachhaltig forcieren können und diese kreditfinanzierten Finanzspritzen, müssen auch wieder einmal getilgt werden.

Die langfristige Entwicklung von Wohnraumlüftungen, wird aber auch maßgeblich davon bestimmt sein, inwieweit diese zukünftig als fixer Bestandteil von neu geschaffenem Wohnraum etabliert werden können. Dies ist wiederum stark von der Bewusstseinsbildung innerhalb der Bevölkerung, über die Notwendigkeit von Energieeffizienz und hoher Luftqualität durch konstante Frischluftzufuhr, abhängig.

Marktkonzentration insgesamt gestiegen

Insgesamt hat die Marktkonzentration im Vergleich zum Vorjahr etwas zugenommen. Die 126 analysierten Unternehmen kommen nach Wert auf über 91% kumulierten Marktanteil. Die Top 30 kommen aber schon auf ca. 72% Marktanteil, wobei in kleineren Ländern die Marktkonzentration oft noch deutlich höher ist. Trotz einiger sehr international aufgestellter Unternehmen, gibt es in den meisten Ländern auch noch lokale Platzhirsche. Zu den führenden Unternehmen in Europa gehören u.a. Aldes, Atlantic, France Air, Helios, Itho, Maico, Soler & Palau, Swegon, SystemAir, Volution Group, Zehnder, etc. um nur ein paar zu nennen. Innerhalb der letzten Jahre haben viele Unternehmen auch noch versucht über Zukäufe und Übernahmen ihre Reichweite zu erhöhen. Dazu gehören z.B. Helios (Vallox), Zehnder (Paul, Enervent, Greenwood, etc.), Soler & Palau ( Pluggit, Envirovent, Unelevent…), Volution Group (Inventer, Pamon, Ventilair…);

Die Komplett-Studie zeigt im Rahmen einer Wettbewerbsanalyse die Marktanteile der Top-Hersteller auf Länder- und Segment-/Produktgruppenebene, sowie alle Marktdaten auf Länderebene im Detail.

16/06/2020

Copyright: Interconnection, Honorarfrei zur Veröffentlichung im Rahmen der Berichterstattung über die erwähnte Studie und IC Consulting.

Andreas Erdpresser

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Andreas Erdpresser verfügt über ausgewiesene Branchenkenntnisse und ist Experte im Bereich Market Intelligence, Branchen- und Produkttrends sowie im Bereich Innovationsmanagement. Andreas Erdpresser war vor seiner Zeit bei Interconnection u.a. bei IBM, bei Kraft Foods (Mondelez) im Product Change Management, sowie bei Management Consulting Partners in der Umsetzungsberatung für Industriekunden tätig. Er absolvierte das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der JKU (Linz, Österreich) und im Rahmens eines Auslandsstudiums an der University of Western Ontario - Richard Ivey Business School (Ontario, Kanada).

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