Interview: Manuela Lindlbauer (25.10.2023)

Wie sehen Sie die Generation 50+ als Zielgruppe am Arbeitsmarkt? Wo liegt deren Potential und hat sich da in den letzten Jahren etwas geändert?

Natürlich ist die 50+ Gruppe aktuell wieder interessanter. Aber ganz allgemein hat sich da sehr viel getan. Die heutigen 50+ – ich zähle ja selbst dazu – sind nicht mehr wie vor 30 Jahren. Früher hat man gesagt, sie könnten nicht mit EDV umgehen. Das stimmt heute nicht mehr. Wir sind damit groß geworden. Alle können mit dem iPhone oder MS-Office umgehen. Das war die Generation davor. Ich glaube man muss sehr viel Vorurteile aufarbeiten und richtigstellen, weil eine 55-Jährige kann heute in Wahrheit genauso gut mit EDV umgehen, wie jemand der 40 ist.

Zusammenfassend: Ja, es ist eine relevante Zielgruppe. Ja, die Unternehmen sollten sich damit beschäftigen und ja, man muss mit Vorurteilen aufräumen und an Lösungen arbeiten. Der größte Hemmschuh ist das Gehalt, da die Kollektivverträge so gestaltet sind, dass das Gehalt einer 50+ Person aufgrund der Einstufungen auf einem Level ist, dass sich viele Unternehmen einfach nicht leisten wollen. So verdient eine 25-jährige Rezeptionisten beinahe die Hälfte einer 50-jährigen Rezeptionistin. Da müsste sich die Regierung überlegen, wie man dem entgegenwirken kann.

Das streift schon teilweise meine zweite Frage, bezüglich der Herausforderungen: Wie kann man die Gruppe 50+ ansprechen und was sind die Erfolgsfaktoren im Recruiting dieser Zielgruppe?

Ein Ansatz ist bestimmt die Gestaltung des Inserats. Aber viele Unternehmen trauen sich das gar nicht. Früher hat man geschrieben „junge, dynamische Assistentin“, das schreibt heute so keiner mehr. Aber man könnte schreiben „50+ herzlich willkommen“, oder „wir schätzen Bewerber mit einem gewissen Erfahrungswert“ oder „Seniorität bevorzugt“. Unternehmen könnten hier einladend agieren und nach außen zeigen, dass es dem Unternehmen wichtig ist eine generationenübergreifende Mitarbeiterstruktur zu haben. Kurz: Inserate so gestalten, dass sich die Gruppe auch eingeladen fühlt.

Also besonders über das Wording im Inserat?

Ja, ob gedruckt oder online, unabhängig vom Medium. Eine direkte Ansprache funktioniert, auch online. Heutige 55-Jährige sind genauso auf karriere.at oder vergleichbaren Portalen aktiv. Sie sind alle auf LinkedIn – mehrheitlich. Dann muss man natürlich die unterschiedlichen Branchen beachten. Angestellte, Blue Collar, Gastronomie, etc. Aber die Generation 50+ erreicht man nicht über ein spezielles Medium, sondern man sollte über den Text arbeiten. 55-Jährige haben die gleichen Such-Wege. Vielleicht sind sie weniger auf TikTok oder Instagram, aber LinkedIn, karriere.at, StepStone und andere Jobplattformen haben bei dieser Gruppe dieselbe Relevanz. Ein 55-jähriger Elektriker sucht die gleichen Plattformen auf, wie ein 35-jähriger. Vielleicht ist das nicht unbedingt LinkedIn, sondern eher regionale Medien.

Was man als Unternehmen außerdem machen kann, ist ein entsprechendes Employer Branding. Also neben der Gen Z auch gewisse Role Models der älteren Generation anzubieten. Vielleicht gibt es im Unternehmen 50+ Leute, die man ein bisschen vor den Vorhang ziehen kann, wie man es gegenwärtig bei Frauen sehr stark macht. Diese Kampagnen lassen sich dann über die Homepage, auf LinkedIn, Facebook oder Instagram promoten.

 

Kann eine – auf das Alter bezogene – diverse Mitarbeiterstruktur funktionieren? Und wenn ja, wie?

Sie muss funktionieren, die Frage des Könnens stellt sich nicht. Wir können ja nicht die gesamte Gruppe 50+, die sich zudem gerade verdreifacht, einfach wegdenken. Diese Gruppe wird immer größer. Sie ist ein Wirtschaftsfaktor, sie ist da und sie muss selbstverständlich in die Beschäftigung. Ohne Arbeit müsste das der Staat stützen und das ist nicht leistbar. Das Pensionsalter wird sukzessive nach oben gesetzt, Frauen etwa werden bis 60-65 am Arbeitsmarkt bleiben. Sie können nicht früher in Pension gehen, sagt der Staat.

Es stellt sich also nicht die Frage ob, sondern wie. HR und insbesondere Führungskräfte sind gefordert, entsprechende Modelle umzusetzen. Im Moment fließt, wie ich finde, viel Energie in die Gen Z. Man müsste auch den anderen ein bisschen Sichtbarkeit geben und Programme machen. Etwa E-Learning Kurse oder Mentoring-Programme. Oder auch Cross-Mentoring Programme, die jüngere und ältere zusammenspannen und so entsprechend integrieren. Die HR ist gefordert einiges zu tun. Und selbstverständlich auch die Führungskräfte, denn wenn es von der Führung nicht mitgetragen wird, wird es auch nicht funktionieren.

Noch eine Frage zum Abschluss: Worauf dürfen wir uns beim Recruiting Excellence besonders freuen?

Ich glaube es wird eine spannende Diskussion sein, denn es ist doch ein Thema, das polarisiert. Ich hoffe, dass ich ein paar Teilnehmer mitnehmen kann auf die Reise und vielleicht den einen oder anderen Change of Mind erzielen kann. Wenn ich den einen oder anderen dazu motivieren kann, zu sagen „Hey, das probiere ich jetzt aus“, dann freu ich mich. Ich bin eine sehr Hemdsärmelige, Praxisorientierte. Ich bin seit 23 Jahren im Geschäft und kann da sicher auch sehr viel aus der Praxis beitragen.

01/11/2023

Copyright: Interconnection, Honorarfrei zur Veröffentlichung im Rahmen der Berichterstattung über die erwähnte Studie und IC Consulting.

Nina Serfözö

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Nina Serfözö hat Vergleichende Literaturwissenschaften an der Universität Wien, sowie Kunst- und Kulturwissenschaften an der Akademie der Bildenden Künste Wien studiert. Bereits im Jahr 2004 war sie studienbegleitend Teil des Research Teams bei Interconnection Consulting. Heute ist sie federführender Teil der IC Eventsparte im Bereich Projekte / Marketing. Vor ihrer Zeit bei Interconnection Consulting war sie unter anderem für das Filmarchiv Austria, die APA (Austria Presse Agentur) und das mica (mica austria) tätig.

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